Der Tod ist ein Mysterium und überfordert uns Menschen heillos. Wir wissen, dass das Leben endlich ist, doch wir schaffen es nicht, ein Bewusstsein für den eigenen Tod zu entwickeln. Aus psychologischer Sicht sollten wir uns auf das Ableben vorbereiten. Wir brauchen aber den Überlebenstrieb, um Krankheiten besser zu überstehen, nicht in Depression zu versinken und die Arterhaltung sichern zu können. Ein Paradox, das wohl mit der Evolution zu tun hat.
Religionsgemeinschaften haben das komplexe Phänomen mit einem Kunstkniff gelöst. Mit der Wiedergeburt oder dem Leben nach dem Tod entwickelten sie eine These, mit der sie die Krux zu überwinden glaubten. Damit öffneten sie zwar ein Feld von weiteren Fragen und wohl auch Widersprüchen, doch sie gaben den Gläubigen Hoffnung, Sehnsucht und Trost, die der Angst vor dem Tod die Spitze brachen. Diese Heilslehre enthielt gleichzeitig ein Rezept gegen die narzisstische Kränkung, dass wir Menschen als «Krone der Schöpfung» nach dem Tod zu Staub zerfallen.
Das religiöse Konzept hat aber Schwachstellen, mit denen vor allem Geistliche in Extremsituationen zu kämpfen haben. Bei der Trauerfeier nach dem Flugzeugdrama der Germanwings in den französischen Alpen sagte Kardinal Rainer Woelki im Kölner Dom, Worte seien zu schwach, um zu trösten. Aber dass so viele Menschen in diesem Moment Mitleid und Beileid zeigten, «das soll Ihnen Trost sein». Konkret: Der Geistliche bot nicht Gott oder den Himmel als Trost an, sondern Mitmenschen. Das war mutig und ehrlich, wirft aber die Frage auf, ob ein Geistlicher in der schwersten Stunde des Lebens vieler Gläubiger keine religiösen Hilfestellungen bieten kann.
Bezeichnend war dann auch, dass kleine Holzengel, die auf den Kirchenbänken lagen, den Hinterbliebenen Halt und Zuversicht geben sollten. Trotz aller Trauer sollten die Engel ermutigen, nach Quellen der Kraft und Bestärkung zu suchen, sagte ein Notfallseelsorger. Gott und Jesus blieben aussen vor.
Konkret: Wenn Gläubige die Religion am nötigsten hätten, bleiben ihre Vertreter recht hilf- und sprachlos. Trost soll dann eine Holzfigur spenden.
Diese Ohnmacht kennt auch der pensionierte Pfarrer Eberhard Aebischer Crettol, der sich als Seelsorger mit Suizidfragen beschäftigt und Selbsthilfegruppen geleitet hatte. Im Buch «Sorge dich nicht!» (Rüffer-&-Rub-Verlag) sagt er: «Obwohl ich Pfarrer bin, habe ich in den Selbsthilfegruppen immer gesagt, der liebe Gott spiele hier keine Rolle.» Gott sei kein Lückenbüsser, dem die Verantwortung für das Unbegreifliche, also den Suizid, zugeschoben werden dürfe. Es sei vor allem bei kirchlich nicht sozialisierten Mitmenschen wichtig, «Gott auf dem schwierigen Weg der Trauer aus dem Spiel zu lassen». Bei Schicksalschlägen stossen die Kirchen an enge Grenzen.
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