Quantcast
Channel: Allgemein – Hugo Stamm
Viewing all articles
Browse latest Browse all 22

Mission mit allen Mitteln

$
0
0
An edition of the Bible of the Russian Orthodox Church, pictured on October 17, 2009 in the Russian Orthodox Resurrection Church in Zurich, Switzerland. (KEYSTONE/Alessandro Della Bella) Eine Ausgabe der Bibel der russisch-orthodoxen Kirche, aufgenommen am 17. Oktober 2009 in der russisch-orthodoxen Auferstehungskirche in Zuerich. (KEYSTONE/Alessandro Della Bella)

Eine Ausgabe der Bibel der russisch-orthodoxen Kirche. Foto: Alessandro Della Bella, Keystone.

Religionsgemeinschaften halten ihren Glauben für den einzig wahren, er verkörpert also die unvergängliche und nicht relativierbare Wahrheit. Schliesslich reklamieren sie für sich, im Bund mit dem wahren Gott oder den wahren Göttern zu sein und von ihnen geleitet zu werden. Der Absolutheitsanspruch gehört unabdingbar zum Wesen eines Glaubens, der sich auf ein übersinnliches oder göttliches Wesen beruft.

Dabei tappen die Gläubigen in eine sprachliche Falle. Denn Glaube bleibt Glaube. Er kann nie den Anspruch auf Wahrheit erheben. Glaube bedeutet, etwas für wahr zu halten. Gewissheit gibt es im Glauben nicht, einen Gottesbeweis konnte noch niemand erbringen. Diese Tatsache sollten Glaubensgemeinschaften im Auge behalten, die missionarisch unterwegs sind – was auf die meisten zutrifft. Den Auftrag dazu leiten sie aus den Jenseitsbotschaften oder heiligen Schriften ab. Er entspricht aber auch einem individuellen, psychologisch erklärbarem Bedürfnis: Wer glaubt, die Wahrheit und das Heil gefunden zu haben, will es verständlicherweise verkünden und in  die Welt hinaustragen. Auf dass alle Menschen an der göttlichen Wahrheit teilhaben können.

In ihrem Eifer oder ihrer Euphorie vergessen sie aber gern, dass ihr Missionsdrang auch problematische Seiten hat. Das Missionieren von Un- oder Andersgläubigen brachte immer wieder viel Leid und Elend in die Welt. Urvölkern das Christentum aufzuzwingen, destabilisierte die sozialen Strukturen dieser Gemeinschaften. Ganz zu schweigen von der Unterdrückung der «Heiden» und den vielen Religionskriegen in der Vergangenheit. Aktuell erleben wir, wie unheilvoll die Macht- und Expansionsansprüche der Islamisten sind.

Auch die christlichen Glaubensgemeinschaften leben dem Missionsgedanken heute noch nach und betreiben weltweit Missionsstationen. Besonders aktiv sind Freikirchen, die selbst an gefährlichen Brennpunkten der islamischen Welt missionarisch unterwegs sind. Sie verhalten sich zwar meist zivilisiert und missionieren mit sanften Mitteln, konfliktfrei sind ihre Bestrebungen aber nicht immer.

Die Bibelübersetzer von Wycliff und SIL – vorwiegend unterstützt von freikirchlichen Gemeinschaften – dringen in die entlegensten Weltgegenden vor, lernen jahrelang die Minderheitssprachen und übersetzen die Bibel. Getreu des Auftrages von Jesus: «Gehet hin in alle Welt und prediget das Evangelium aller Kreatur.» (Markus 16:15)

Eine besondere Form der Verbreitung des Evangeliums betreibt die freikirchlich orientierte Gideon-Bewegung. Sie verteilt seit 116 Jahren die Bibel. In vielen Hotels und Gefängnissen liegen sie weltweit auf. Aktuell können die Gideons ein Jubiläum feiern: Sie haben zwei Milliarden Bibeln unter die Leute gebracht. Ebenfalls ein Jubiläum feiert die Agentur C. Das C steht für Christus. Sie wurde vor 30 Jahren vom Erfinder des Abflussreinigers Sipuro, Heinrich Rohrer, gegründet und verbreitet seither in Inseraten und auf grossen Plakaten Bibelsprüche wie «Werft alle Sorgen auf Gott! Er sorgt für Euch» oder «Alles kann ich durch Christus, der mir Kraft und Stärke gibt». In den drei Jahrzehnten brachte die christliche Agentur, die primär von Gläubigen aus Freikirchen finanziert wird, mehr als 90’000 Plakate an.

Der Aufwand solcher Missionsbestrebungen ist gross, Effekt und Nutzen eher bescheiden. Jesus würde der Agentur C vermutlich raten, die Hunderttausenden von Franken besser den Flüchtlingen zu spenden, die in Lagern zusammengepfercht sind und hungern. Schliesslich war ihr Idol einst auch auf der Flucht.

Die Mission gilt bei Gläubigen als besonders wertvolle, altruistische Tätigkeit. Psychologisch gesehen, trifft dies nur bedingt zu, denn der Missionar lebt mit der Genugtuung, seine ganze Schaffenskraft für Gott einzusetzen, für ihn allenfalls Gefahren in Kauf zu nehmen und sich somit fit für das Jüngste Gericht zu machen. Kurz: Wir Menschen brauchen stets Aussicht auf Erfolg, selbst auch in Glaubensfragen und beim Missionieren.​

Der Beitrag Mission mit allen Mitteln erschien zuerst auf Hugo Stamm.


Viewing all articles
Browse latest Browse all 22